Philipp Nordmann - Gütersloh

Pro und Kontra der Nachtabsenkung

Die Nachtabsenkung wurde nach der Ölkrise in den 70er Jahren `erschaffen´, sie wurde geboren mit der Intention, Energie bei den fast immer überdimensionierten Heizkesseln in der Nacht zu sparen, in der viele Bewohner bei geöffneten Fenstern schlafen.
Damals war die Nachtabsenkung ein Verkaufsargument für die Kesselhersteller. Ende der 80er Jahre wurde das mit Einzug der elektronischen Heizungsregelungen auf die Spitze getrieben: Neben der Nachtabsenkzeit konnte man weitere frei wählbare Zeiträume während des Tages ebenfalls die Raumtemperatur absenken.

Wenn man nachts die Raumtemperatur absenkt, verbraucht man in dieser Zeit zwar weniger Energie. Am nächsten Morgen muss man dann aber stärker heizen, da nicht nur die Luft in den beheizten Räumen, sondern auch die Baumasse abgekühlt ist. (Außerdem kann die ständige Temperaturschwankung für die Baumasse negative Auswirkungen haben: Risse, Materialermüdung etc.)

Eine Einsparung hängt davon ab, wie schnell die Temperatur im Gebäude sinkt. Bei Gebäuden in Leichtbauweise ist eine größere Ersparnis durch Temperaturabsenkung zu erwarten als bei Gebäuden in schwerer Bauweise.
Beispiel: Ein Haus aus Leichtbetonstein kühlt schneller aus als ein Haus aus Tonsteinen, es hat also generell einen höheren Wärmebedarf. Eine Nachtabsenkung spart hier mehr Energie ein, da im Vergleich zu dem Tonsteine-Haus mehr Energie während der Absenkzeit eingespart wird.

Je besser ein Haus also gedämmt ist bzw. je geringer der Wärmebedarf eines Gebäudes ist, desto weniger sinnvoll ist eine zusätzliche Nachtabsenkung.
In Gebäuden mit Heizkesseln aus dem Zeitraum 70er bis Anfang 90er Jahre und mit eingebauter Heizungssteuerung mit integrierter Nachtabsenkmöglichkeit muß man also abwägen, ob man die Nachtabsenkung deaktiviert oder aktiviert (und dann in welchem Maße!).

An den wirklich kalten Tagen des Jahres (kälter als -5°C bis -8°C) reicht die Heizleistung des Heizungskessels gerade aus, um die Temperatur im Gebäude zu halten. Für diesen Extremfall müssen alle Komponenten der Heizung (Heizkessel, Heizkörper) ausgelegt sein (siehe `Energieverschwendung in der Heizungstechnik'). Wenn nun das Gebäude nachts auskühlt, reicht die Heizleistung nicht aus, um das Gebäude noch zusätzlich vom abgesenkten Zustand auf den Normalzustand zu erwärmen. Man benötigt dann eine zusätzliche Aufheizleistung (= größerer Heizkessel!).

Manch ein Bauherr scheut die damit verbundenen zusätzlichen Kosten und verzichtet auf die Aufheizleistung.
In der im Oktober 2004 veröffentlichten DIN EN 12831 für die Bestimmung der Heizlast wurde erstmals vorgeschrieben, dass der Planer/Handwerker diese Aufheizleistung mit dem Auftraggeber/Bauherrn eindeutig vereinbaren muss. Es mußte also erstmals ein Beratungsgespräch durchgeführt werden, an dessen Ende der Bauherr auch zu diesem Punkt informiert worden sein mußte.

Die Aufheizleistung ist umso höher,

    • je kürzer die gewünschte Aufheizzeit ist (z.B. nur 20 Minuten oder doch 60 Minuten),
    • je größer die Absenkung ist (z.B. nur geringe 5°C oder verstärkte 15°C Absenkung) und
    • je schlechter (bzw. leichter) die Bauweise und damit je höher der Wärmeverlust des Gebäudes ist.

Der Bauherr entscheidet sich am besten gegen eine zusätzliche Aufheizleistung, denn nur an sehr weniger Tagen im Jahr ist es so kalt, dass die Heizkesselleistung voll ausgeschöpft wird. An diesen wenigen Tagen kann man gut auf die Nachtabsenkung verzichten. Andernfalls muss man nicht nur eine größere Heizung bezahlen, sondern auch die Kosten dafür, dass die Heizung insgesamt über das ganze Jahr betrachtet zu groß ist und damit auch im Normalbetrieb einen noch höheren Energieverbrauch aufweist (siehe abermals `Energieverschwendung in der Heizungstechnik').
Je exakter ein Heizkessel für das Gebäude ausgelegt ist, d.h. je weniger überdimensioniert der Heizkessel ist,

    • desto besser ist der Jahresnutzungsgrad,
    • desto ökonomischer und ökologischer ist die Heizungsanlage für den Nutzer und für die Umwelt
    • desto unsinniger bzw. unmöglicher (wegen der fehlenden Aufheizleistung) ist eine Nachtabsenkung

Für vermietete Wohnungen kann der höhere Komfort durch eine Aufheizleistung den Mietwert erhöhen. Die höheren Energiekosten könnten andererseits die Vermietbarkeit vermindern.

Für Gebäude mit sporadischer Nutzung wie Sportstätten, Tagungsstätten, Ferienheime usw. sollte eine Aufheizleistung unbedingt eingeplant werden. Raumweise ist dies auch zu empfehlen für Nebenräume in Gaststätten, für Schlafzimmer etc. In diesem Fall werden die Heizkörper entsprechend größer dimensioniert!

Fazit: Die Nachtabsenkung steht mit ihrer verhältnismäßig geringen Energieeinsparung in einem gut gedämmten Neubau bzw. durchsanierten Haus somit in keinem Verhältnis zu den theoretisch notwendigen Mehrkosten für einen größeren Heizkessel und für entsprechend höhere Energiekosten über die Jahre.
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